Kunstwissen: Was ist eigentlich abstrakte Kunst?
Wenn wir von abstrakter Kunst sprechen, tauchen oft Fragen auf - was genau ist das eigentlich? Wie unterscheidet sie sich von anderen Kunstrichtungen? Und wer waren die Pioniere, die dieses Genre geprägt haben? In diesem umfassenden Artikel nehmen wir Sie mit auf eine Entdeckungsreise durch die faszinierende Welt der abstrakten Kunst. Wir beleuchten ihre Ursprünge, ihre Entwicklung und ihre verschiedenen Ausprägungen, um Ihnen ein tieferes Verständnis dieser einzigartigen Kunstform zu vermitteln.
Die Anfänge der abstrakten Kunst
Die Ursprünge der abstrakten Kunst lassen sich bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen. Zu dieser Zeit bestand die Kunstlandschaft vor allem aus Strömungen wie Fauvismus, Kubismus und figurativem Expressionismus, die sich durch ihre Experimentierfreude mit Farben, Formen und Themen auszeichneten. Schritt für Schritt entfernten sich die Künstler immer weiter von der naturgetreuen Darstellung der Realität, um neue, unkonventionelle Ausdrucksformen zu finden.
Hilma af Klint - eine Vorreiterin der Abstraktion
Obwohl Wassily Kandinsky oft als Begründer der abstrakten Kunst gilt, gibt es Hinweise darauf, dass die schwedische Malerin Hilma af Klint bereits 1906 - also fünf Jahre vor Kandinsky - ihre ersten rein abstrakten Werke schuf. Ihre futuristischen Gemälde mit ihren biomorphen und geometrischen Formen waren für ihre Zeit höchst revolutionär. Leider blieben Klints Werke lange Zeit weitgehend unbekannt, da sie sie zu Lebzeiten nur selten öffentlich zeigte und ihre Familie das Versprechen gab, ihre Bilder erst 20 Jahre nach ihrem Tod zu veröffentlichen.
Kandinsky, Kupka und Co. - Wegbereiter der Abstraktion
Neben Hilma af Klint gelten auch Künstler wie Wassily Kandinsky, František Kupka, Robert Delaunay und Sonia Delaunay-Terk als Pioniere der abstrakten Kunst. Kandinsky war der Meinung, dass Farben und Formen an sich schon eine innere Bedeutung und Ausdruckskraft besitzen, unabhängig von der Abbildung der Realität. In seinen Werken ging es ihm darum, Gefühle und die "unsichtbare" Welt des Geistes sichtbar zu machen. Andere Avantgardisten wie der Suprematist Kasimir Malewitsch strebten eine reine, gegenstandslose Bildsensibilität an, bei der Formen und Farben für sich selbst sprechen durften.
Die Weiterentwicklung der abstrakten Kunst
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die abstrakte Kunst stetig weiter und teilte sich in verschiedene Stilrichtungen auf, die jeweils ihre eigenen Schwerpunkte und Charakteristika hatten.
Geometrische Abstraktion und Konstruktivismus
Eine der Hauptströmungen war die geometrische Abstraktion, die von Künstlern wie Piet Mondrian mit seinen Kompositionen aus Primärfarben und schwarzen Linien vorangetrieben wurde. Der Konstruktivismus, vertreten durch Figuren wie El Lissitzky, strebte eine reine, von der Realität unabhängige Formgestaltung an.
Abstrakter Expressionismus - Emotion trifft Aktion
In den 1940er und 1950er Jahren entstand in den USA der abstrakte Expressionismus, der sich durch eine große Energie und Spontaneität auszeichnete. Maler wie Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko setzten auf impulsive, fast schon anarchische Farbgebung und Pinselführung, um ihre innersten Gefühle auf die Leinwand zu bringen.
Op-Art und Minimalismus - Fokus auf Wahrnehmung und Reduktion
In den 1960er Jahren entwickelten sich zwei weitere Hauptströmungen: die Op-Art (optische Kunst) und der Minimalismus. Künstler wie Victor Vasarely und die Op-Art-Vertreter spielten mit optischen Täuschungen und Lichteffekten, während Minimalisten wie Sol LeWitt, Robert Morris und Dan Flavin die Kunst auf ihre einfachsten geometrischen Strukturen reduzierten.
Abstrakte Kunst im Dialog mit anderen Disziplinen
Die abstrakte Kunst stand immer im regen Austausch mit anderen künstlerischen Disziplinen. Insbesondere zur Musik gab es enge Verbindungen.
Parallelen in der Musik
Ähnlich wie in der Malerei, wo sich die Künstler von der gegenständlichen Darstellung entfernten, experimentierten Komponisten in der Musik mit der Auflösung von Melodien und der Befreiung des Klangs. Künstler des Blauen Reiters wie Kandinsky suchten daher den Dialog mit Avantgarde-Komponisten wie Arnold Schönberg.
Abstrakte Fotografie - Malerei mit Licht und Schatten
Auch in der Fotografie fanden sich Künstler, die die Ästhetik der abstrakten Kunst aufgriffen. Fotografen wie Barbara Crane und Kimberly Poppe schufen durch extreme Nahaufnahmen, Überbelichtung und Verzerrungen abstrakte, fast schon malerische Kompositionen.
Abstrakte Kunst und ihre Interpretation
Bei der abstrakten Kunst stellt sich oft die Frage: Was will der Künstler oder die Künstlerin damit ausdrücken? Da die Werke keine offensichtlichen Gegenstände oder Motive zeigen, erfordert ihre Interpretation eine offene und kreative Herangehensweise.
Sechs Grundtypen abstrakter Kunst
Um abstrakte Kunstwerke einzuordnen, können sechs Grundtypen herangezogen werden: kurvilineare Kunst, Farb- und Lichtbezug, geometrische Abstraktion, emotionale/intuitive Kunst, gestische Abstraktion und Minimalismus. Diese Kategorien helfen, die Vielfalt abstrakter Ausdrucksformen besser zu verstehen.
Gefühle, Stimmungen, Wahrnehmungen
Abstrakte Kunst zielt darauf ab, Gefühle, Stimmungen und Wahrnehmungen des Künstlers auf die Leinwand zu bringen. Dabei geht es nicht um die realistische Abbildung der Wirklichkeit, sondern um den Ausdruck der inneren Welt. Ein gelungenes abstraktes Werk zeichnet sich dadurch aus, dass es beim Betrachter ebenfalls Emotionen und Assoziationen hervorruft.
Interpretation als kreativer Prozess
Die Interpretation abstrakter Kunst ist ein kreativer Prozess, bei dem der Betrachter gefordert ist, sich aktiv mit dem Werk auseinanderzusetzen. Manchmal liefern Künstler Hilfestellungen in Form von Titeln oder Erläuterungen, um ihre Intention zu verdeutlichen. Letztlich bleibt die Deutung aber subjektiv und offen für verschiedene Lesarten.
Abstrakte Kunst in der Gegenwart
Auch heute noch ist die abstrakte Kunst ein fester Bestandteil der zeitgenössischen Kunstlandschaft und inspiriert Künstler auf der ganzen Welt.
Neue Technologien und Materialien
Moderne Künstler greifen nicht nur auf traditionelle Techniken wie Malerei und Skulptur zurück, sondern experimentieren auch mit neuen Medien wie digitaler Kunst, Lichtinstallationen oder kinetischen Objekten. So entstehen immer wieder faszinierende, innovative Interpretationen des abstrakten Ausdrucks.
Internationale Vielfalt
Die abstrakte Kunst hat sich längst zu einem globalen Phänomen entwickelt. Künstler aus aller Welt, vom amerikanischen Maler Lee Ellis über den chinesischen Koloristen Barbara Krupp bis hin zum britischen Grenzgänger Nick Malone, tragen mit ihren individuellen Stilen zur Weiterentwicklung des Genres bei.
Abstraktion als Ausdruck unserer Zeit
In einer zunehmend komplexen und unübersichtlichen Welt bietet die abstrakte Kunst einen Raum für Reflexion und Interpretation. Ihre offene, assoziative Bildsprache spiegelt die Vielschichtigkeit unserer Erfahrungen wider und lädt den Betrachter ein, sich auf eine persönliche Reise durch Farben, Formen und Emotionen zu begeben.
Fazit: Abstrakte Kunst - eine Einladung zur kreativen Auseinandersetzung
Abstrakte Kunst mag auf den ersten Blick befremdlich oder gar unverständlich erscheinen. Doch gerade darin liegt ihre Faszination: Sie fordert uns heraus, unsere gewohnten Sichtweisen zu hinterfragen und neue Wege des Sehens und Denkens zu entdecken. Ob als Betrachter oder als Künstler - die Auseinandersetzung mit abstrakter Kunst ist eine spannende Reise, die uns emotional berührt und unsere Kreativität anregt. Lassen Sie sich von dieser einzigartigen Kunstform inspirieren und tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Farben, Formen und Gefühle!
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